Silberzwiebeln

Freitag etwas widerwillig mit Schwesters Polo Richtung Ostwestfalen in den Kreis Minden-Lübbecke gecruised. Wenn Papa seine Töchter fragt, ob man ihn auf den 88. Geburtstag eines seiner ältesten Freunde begleitet, schreit die innere Stimme spontan "NEVER!", aber man sagt dann doch brav zu. Er hatte ansonsten keine Gelegenheit, hinzukommen und freut sich über jede Möglichkeit, auf Reisen zu gehen. Letztendlich siegte auch die Neugier auf den prominenten Jubilar und Gastgeber der nächsten zwei Tage, von dem uns Papa schon unser ganzes Leben erzählt und den wir nie kennengelernt haben.

Nach 3,5 Stunden Fahrt, auf der uns Schwester mehrfach vergeblich ihre letzte Banane anpreist, auf Schloss Benkhausen angekommen, eingecheckt und Kaltgetränk genossen. Danach Abschied von Papa, der ohne uns, aber mit Rollator, in Zeitlupe zum Restaurant wackelte. Schwester und ich in Zwischenzeit zur "Gesindeküche" aufgemacht und mit weiteren anscheinend nichtgeladenen und sehr illustren Gästen ein einfaches, aber leckeres Abendessen verspeist.

Anschließend köstliche alkoholische Getränke im menschenleeren Innenhof genossen und gewartet. Bei zweitem Glas Wein wechselt Geburtstagsgesellschaft Örtlichkeit und wir schmuggeln uns mit Unterstützung eines weiteren Gastes auf die Party, die nun richtig Fahrt aufnimmt. Plötzlich fanden wir unsere vermeintlichen Leidensgenossen aus dem Speisesaal auf der Bühne. Der einsame Esser vom Nebentisch entpuppt (haha) sich als ziemlich witziger Bauchredner und der Herr, der beim Abendessen hinter mir saß und nur englisch sprach, wird zur glitzernden Diva, die mit großartiger Stimme Soul singt.

Eine Geburtstagsfeier der Ü80-Generation hat den tollen Effekt, dass man sich zwischen den anwesenden Silberzwiebeln unglaublich jung fühlt. Schwester und ich haben den Altersdurchschnitt sicherlich um ein paar Jahre gesenkt.

Bis nach Mitternacht wird gezaubert. Dann kurz dem Geburtstagskind nebst Gattin die Hand geschüttelt, Nettigkeiten ausgetauscht und artig bedankt.

Nach dem besten Frühstück ever am nächsten Morgen gab es interessanten Rundgang durch das Deutsche Automatenmuseum, das sich auf dem Schlossgelände befindet. Anschließend nach Minden, um mit Schiff  Rundfahrt auf dem Mittellandkanal zu machen. Planungsunfähigkeit steckt nun auch Schwester an. Erst Anleger nicht gefunden, dann Schiff verpasst. Schließlich zumindest die Schleuse besichtigt, während Papa kurzes Nickerchen auf Rollator absolviert. Noch kurz in Gartenlokal Happen zu Mittag gegessen, und gemächlich auf Rückweg gemacht.

Gegen Abend erfahren, dass wir einzigen Gäste auf Schloss sind. Konnten zum Glück noch im Restaurant eine Flasche Wein und drei Gläser erbetteln, haben uns noch eine Weile in den verlassenen Innenhof gesetzt und sind früh schlafen gegangen.

Nach Papas "Oh, oh!" und den wiederholten Blicken mit weitaufgerissenen Augen Richtung WC-Tür, die für ihn nicht ganz so schnell erreichbar war, erfuhr der Plan, am nächsten Morgen nach dem Frühstück noch ein wenig spazieren zu gehen, eine Änderung und es ging auf direktem Weg nach Hause. Natürlich nicht ohne ein weiteres Mal die von Schwester angepriesene Banane ablehnen zu müssen.